Mein Weg zum Antrag auf begünstigte Behinderung

26.01.2025

Ein persönlicher Leitfaden

Der Antrag auf begünstigte Behinderung ist für mich nicht nur ein bürokratischer Prozess, sondern ein essenzieller Schritt, um mit meinen psychischen Erkrankungen – ADHS, bipolarer Störung und Borderline – besser umgehen zu können. Dieser Weg ist oft emotional herausfordernd, erfordert viel Selbstreflexion und eine sorgfältige Vorbereitung. In diesem Beitrag teile ich meine persönlichen Erfahrungen, die notwendigen Schritte und wertvolle Tipps, die mir geholfen haben, diesen Prozess anzugehen.

Wann sollte der Antrag gestellt werden?

Der Antrag kann jederzeit gestellt werden. Aus meiner Erfahrung ist es jedoch besonders vorteilhaft, den Antrag vor einem neuen Dienstantritt einzureichen. Dies ermöglicht es, den besonderen Kündigungsschutz frühzeitig zu aktivieren und mehr Sicherheit im Arbeitsverhältnis zu schaffen.

Vorteile einer positiven Entscheidung

  • Rechtsstatus ab Einreichung: 

    Ab dem Einreichungsdatum wird man als begünstigt Behindertern angesehen, sofern der Grad der Behinderung bestätigt wird.

  • Kündigungsschutz:

     Dieser tritt sechs Monate nach Antragstellung in Kraft und bietet langfristige Sicherheit im Arbeitsalltag.

Was wird für die Einreichung benötigt?

Eine sorgfältige Vorbereitung ist essenziell, um Verzögerungen zu vermeiden. Hier meine Kontrollliste für die wichtigsten Unterlagen:

  1. Identitätsnachweise

  2. Meldezettel oder Wohnsitzbestätigung

  3. Reisepass oder Personalausweis

  4. EU-konformes PassfotoBerufliche Unterlagen

  5.  Arbeitsbestätigungen und Dienstzeugnisse

  6. Nachweise über Bildungsabschlüsse und Weiterbildungen

  7. Zertifikate aus Mentoring- oder Coaching-Programmen

  8. Medizinische Unterlagen

  9. Fachärztliche Befunde zu Diagnosen wie ADHS, Borderline oder PTBS

  10. Berichte von Psychologen, Psychiatern und Therapeuten

  11. Nachweise über Klinik- oder Rehabilitationsaufenthalte

Einreichung des Antrags

Der Antrag wird beim Sozialministeriumservice eingereicht. Ich nutze dafür das Formularservice, aber es gibt auch die Möglichkeit, die Unterlagen per Post oder persönlich abzugeben.

Entscheidungskriterien:  Die Entscheidung basiert auf mehreren Faktoren, die genau geprüft werden:

  1. Grad der Behinderung: Ärztliche Befunde werden analysiert, um den Grad der Beeinträchtigung zu bestimmen.

  2. Auswirkungen auf den Alltag: Psychische Diagnosen wie ADHS und Borderline werden darauf geprüft, wie stark sie den Alltag und die Berufsfähigkeit beeinflussen.

  3. Langfristigkeit der Beeinträchtigung: Stabilität und Prognose der gesundheitlichen Situation spielen eine entscheidende Rolle. 

Ablauf des Verfahrens

  1. Erfassung des Antrags

  2. Nach der Einreichung werden die Unterlagen geprüft und erfasst.

Fachgespräche und Untersuchungen

Ein Fachgespräch mit einem Psychiater oder Facharzt ist wahrscheinlich. Dabei geht es darum, die Auswirkungen meiner Erkrankungen detailliert darzulegen.

Selbstreflexion und Beispiele aus meinem Alltag

Die Vorbereitung auf dieses Gespräch war für mich eine große Herausforderung, da ich mich intensiv mit meinen Symptomen auseinandersetzen musste. Hier einige Beispiele:

  • Manische Phasen: Euphorische Stimmung, unermüdlicher Tatendrang, übermäßige Begeisterung für Projekte und das Gefühl, unaufhaltsam zu sein. Gleichzeitig führte diese Hyperaktivität oft zu Überarbeitung und schneller Erschöpfung.

  • Depressive Phasen: Antriebslosigkeit, ein tiefes Gefühl innerer Leere, intensive Selbstzweifel und Wutausbrüche. Oft zogen sich diese Phasen über mehrere Tage hin und beeinträchtigten sowohl meine sozialen Kontakte als auch meine Arbeitsfähigkeit.

  • Alltagsprobleme: Die emotionale Instabilität zeigte sich in Schwierigkeiten, Projekte zu beginnen oder abzuschließen, sowie in Problemen mit Konzentration und der Verfolgung langfristiger Ziele.

Tagebuchbeispiele


  • 04.09.2023: Innere Unruhe, starke Konzentrationsprobleme, Verlust von Freude und Interesse.

  • 08.04.2023: Gefühl von Kontrollverlust und Panik beim Versuch, ein einfaches Lego-Modell zu bauen.

  • 18.09.2023: Intensive Selbstzweifel und die zunehmende Angst vor den Stimmen in meinem Kopf.

Fachfragen im Gespräch

Im Fachgespräch werden detaillierte Fragen zu folgenden Themen gestellt:

  • Krankheitsgeschichte: Wann traten die ersten Symptome auf? Wie haben sich diese im Laufe der Zeit entwickelt?

  • Alltagsbewältigung: Welche Einschränkungen erlebe ich im täglichen Leben? Kann ich Routineaufgaben wie Einkaufen, Kochen und Haushalt erledigen?

  • Arbeitsfähigkeit: Wie beeinflussen die Diagnosen meinen Arbeitsalltag? Wie gehe ich mit Stress und Zeitdruck um? Kann ich Termine einhalten? Wie ist meine Konzentration über den Tag verteilt?

  • Therapie und Behandlung: Welche Fortschritte habe ich durch Therapie und Medikamente gemacht? Wie ist mein aktueller Stand?

  • Soziales Umfeld: Wie wirkt sich die Erkrankung auf meine Beziehungen zu Familie, Partner und Freunden aus? Erhalte ich Unterstützung?

  • Selbstversorgung: Bin ich in der Lage, mich regelmäßig um meine Körperpflege zu kümmern? Habe ich eine feste Tagesroutine?

  • Freizeitgestaltung: Wie motiviert bin ich, meinen Hobbys nachzugehen? Welche Aktivitäten übe ich derzeit aus?

Bearbeitungsdauer

Die Bearbeitung des Antrags dauert in der Regel zwischen 8. bis 11. Wochen, manchmal auch bis zu Einem Monate. Wichtig ist, alle Unterlagen vollständig einzureichen, um Verzögerungen zu vermeiden.

Erhalt des Bescheids

Am Ende des Prozesses erhältst du einen Bescheid, der Folgendes enthält:

  • Grad der Behinderung

  • Feststellung des Behindertenstatus

Mein persönliches Fazit

Ich bin noch mitten im Prozess, aber bereits jetzt merke ich, wie wichtig dieser Schritt für mich ist. Der Antrag auf begünstigte Behinderung ist nicht nur eine bürokratische Angelegenheit, sondern ein entscheidender Schritt, um die eigene Gesundheit und den Arbeitsalltag besser zu managen. Durch die intensive Vorbereitung und Selbstreflexion konnte ich nicht nur meine Symptome klarer verstehen, sondern auch lernen, wie ich besser mit ihnen umgehen kann. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dir helfen, diesen Weg mit mehr Klarheit und Zuversicht zu gehen. Es lohnt sich, für sich selbst einzustehen.

Link zu meinem Beitrag auf LinkedIn "Wann ist der richtige Moment, um für sich selbst einzustehen?"