
Mehr als ein Label: Ich bin ein Mensch.
Ich will als Mensch gesehen werden – nicht als meine Sexualität oder meine Behinderung. Ich bin mehr als das, was andere an der Oberfläche sehen. Mehr als meine Diagnose. Mehr als meine Vergangenheit. Und auch mehr als mein Beziehungsstatus.
Ja, ich bin seit fünf wundervollen Jahren in einer Beziehung mit einem Mann. Und nein – ich muss es niemandem unter die Nase reiben. Nicht, weil ich mich schäme. Ganz im Gegenteil: Ich bin stolz auf die Liebe, die ich lebe. Aber weil ich fest daran glaube, dass meine sexuelle Orientierung nichts mit meiner beruflichen Kompetenz zu tun hat.
Du bist gut in deinem Job, weil du ihn liebst. Weil du Leidenschaft mitbringst. Weil du Verantwortung übernimmst, mutig bist, kreativ denkst oder analytisch arbeitest – nicht, weil du hetero, bi, queer oder trans bist. Und genauso wenig, weil du eine sichtbare oder unsichtbare Behinderung hast.

Sichtbar machen, was niemand sieht
Und dennoch schreibe ich öffentlich über meine psychischen Erkrankungen. Ich spreche offen über mein ADHS, meine bipolare Störung und meine Borderline-Diagnose. Nicht, weil ich Mitleid will. Nicht, weil ich denke, ich hätte dadurch bessere – oder schlechtere – Karten im Leben.
Sondern weil ich in einer Gesellschaft lebe, in der man das Unsichtbare nicht versteht, solange es nicht benannt wird. Und ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir wollen, dass sich etwas verändert, müssen wir den ersten Schritt tun. Sichtbar machen, was sonst im Schatten bleibt.
Denn du siehst nicht, dass ich manchmal Panik bekomme, wenn zu viele Reize auf mich einprasseln. Du siehst nicht, dass ich Nächte nicht schlafen kann, weil meine Gedanken rasen. Du merkst vielleicht nicht, wie schwer es mir fällt, mich zu konzentrieren – oder dass ich mich innerlich in einem ständigen Auf und Ab befinde.
Warum ich darüber spreche
Ich spreche darüber, damit du verstehst, was du vielleicht nicht sehen kannst. Ich spreche darüber, damit du mir auf Augenhöhe begegnen kannst. Damit du mich fragen darfst, wenn du etwas nicht verstehst. Damit du nicht urteilst, sondern mitfühlst. Nicht bemitleidest, sondern anerkennst.
Ich glaube fest daran, dass wir Verständnis nur schaffen können, wenn wir teilen. Und genau deshalb teile ich meine Geschichte.
Ein Wunsch für die Zukunft
Ich wünsche mir eine Welt, in der man über mentale Gesundheit spricht wie über Rückenschmerzen. In der man nicht ständig erklären muss, warum man Unterstützung braucht. In der niemand reduziert wird auf seine Identität, seine Krankheit oder seine Geschichte – sondern als Mensch gesehen wird, mit allem, was dazugehört.
Ich wünsche mir einen Arbeitsalltag, in dem wir über Stärken sprechen und nicht über Diagnosen urteilen. In dem Offenheit nicht als Schwäche gilt, sondern als Zeichen von Mut.
Denn ich bin nicht der mit der Bipolaren Störung. Ich bin nicht der Schwule. Ich bin Camillo. Und ich bin einfach ein Mensch – wie du auch.