Leben mit ADHS

18.09.2024

Wie der Sport mir half, meine innere Balance zu finden

Seit meiner Kindheit lebe ich mit ADHS, und schon früh bemerkte ich, dass ich anders war als die anderen Kinder. Ich war sprunghaft, ständig auf der Suche nach neuen Hobbys, die ich oft genauso schnell wieder fallen ließ, wie ich sie angefangen hatte. In der Schule war es besonders schwer für mich. Während meine Mitschüler scheinbar mühelos dem Unterricht folgen konnten, fühlte ich mich oft überfordert, als ob alles viel zu schnell ging. Meine Gedanken drifteten immer wieder ab, und ich fand mich oft in meiner eigenen Welt wieder, unfähig, mich auf das Geschehen um mich herum zu konzentrieren.

Eine herausfordernde Schulzeit

Meine Schulzeit war alles andere als einfach. Die Aufnahmefähigkeit, die bei den anderen Kindern selbstverständlich schien, war für mich ein ständiger Kampf. Es war, als ob mein Gehirn die Informationen nicht so aufnehmen und verarbeiten konnte, wie es sollte. Stattdessen entglitten mir die Inhalte, und ich träumte vor mich hin, verlor mich in Fantasien. Für die Lehrer wirkte ich oft unaufmerksam und desinteressiert, was zu Frustrationen führte – sowohl bei ihnen als auch bei mir.

Der Sport als Rettungsanker

Was mir in meiner Kindheit jedoch besonders geholfen hat, war der Sport. Ich probierte viele verschiedene Sportarten aus, immer auf der Suche nach etwas, das mir helfen könnte, meine überschüssige Energie loszuwerden und mich besser zu konzentrieren. Eine der Sportarten, die für mich besonders wertvoll war, war der Langstreckenlauf.

Langstreckenlauf bot mir die Möglichkeit, meine überschüssige Energie auf eine positive und gesunde Weise abzubauen. Wenn ich lief, fühlte ich, wie sich die Anspannung in meinem Körper löste und ich langsam zur Ruhe kam. Nach dem Lauf setzte ein Gefühl der Entspannung ein, das mir half, mich zu sammeln und klarer zu denken. Der Lauf war für mich nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Erholung, bei der ich das Gefühl hatte, etwas für mich selbst getan zu haben.

Die Rolle der Glückshormone

Eine weitere wunderbare Nebenwirkung des Laufens war die Freisetzung von Endorphinen – den sogenannten Glückshormonen. Diese gaben mir einen dringend benötigten Schub an positiver Energie und halfen mir, mit den Herausforderungen meines Alltags besser umzugehen. Als Kind, das nicht viele Freunde hatte, war dieser Glücksschub für mich besonders wichtig. Es war eine Art innerer Trost, der mir das Gefühl gab, dass alles in Ordnung war, auch wenn ich mich oft isoliert fühlte.

Meine Erfahrungen mit Kunstturnen: Präzision, Fokus und Teamgeist als wertvolle Begleiter

Auf meinem Weg, mit den Herausforderungen des Alltags und den Symptomen von ADHS umzugehen, habe ich viele Sportarten ausprobiert. Eine davon war Kunstturnen, und es stellte sich heraus, dass dieser Sport mehr für mich tat, als ich je erwartet hätte. Kunstturnen bot mir nicht nur körperliche Stärke und Geschmeidigkeit, sondern half mir auch, meinen Geist zu fokussieren und wichtige soziale Fähigkeiten zu entwickeln.

Präzision und Fokus im Kunstturnen

Kunstturnen erfordert eine präzise Abfolge von Bewegungen und eine hohe Konzentration. Für jemanden wie mich, der oft mit Ablenkungen und Impulsivität kämpft, war dies eine echte Herausforderung. Doch gerade deshalb war Kunstturnen ein unglaublich wertvoller Begleiter. Durch das ständige Üben und Wiederholen von Bewegungsabläufen lernte ich, meine Aufmerksamkeit gezielt zu lenken und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Diese Fähigkeit, sich zu fokussieren, verbesserte sich nicht nur im Training, sondern auch in anderen Bereichen meines Lebens. Ich konnte meine Gedanken besser ordnen und fand es einfacher, Aufgaben bis zum Ende durchzuhalten.

Teamgeist und Freundschaften

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Kunstturnens war der Zusammenhalt im Team. Für mich war es total wichtig, Freundschaften zu schließen und soziale Bindungen aufzubauen. Das regelmäßige Training in einer Gruppe von Gleichgesinnten bot mir die Gelegenheit, mich mit anderen auszutauschen und wertvolle soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Ich lernte, im Team zu arbeiten, Vertrauen zu anderen aufzubauen und gemeinsam Ziele zu erreichen. Diese sozialen Aspekte des Kunstturnens waren für mich von unschätzbarem Wert, da sie mir halfen, mich in sozialen Situationen sicherer zu fühlen und echte Freundschaften zu schließen.

Mein Weg zur Selbstbeherrschung und inneren Ruhe durch Kickboxen

Als Jugendlicher entdeckte ich den Kampfsport für mich, genauer gesagt das Kickboxen. Diese Entscheidung war nicht nur eine Möglichkeit, meine körperliche Fitness zu verbessern, sondern auch ein entscheidender Schritt, um meine mentalen und emotionalen Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen. Insbesondere die Fokussierung auf präzise Bewegungen und die unmittelbare Reaktion auf den Gegner halfen mir, meine Aufmerksamkeit zu schärfen und im Moment präsent zu bleiben.

Konzentration und Präsenz durch Kickboxen

Kickboxen verlangte von mir eine hohe Konzentration und eine ständige Präsenz im Hier und Jetzt. Jede Bewegung, jeder Schlag und jeder Tritt musste präzise ausgeführt werden, um im Kampf erfolgreich zu sein. Diese intensive Fokussierung auf den Moment trainierte nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist. Mit der Zeit bemerkte ich, dass sich meine Fähigkeit zur Konzentration nicht nur im Training, sondern auch in anderen Lebensbereichen verbesserte. Ich konnte mich besser auf Aufgaben konzentrieren und fand es einfacher, Ablenkungen auszublenden.

Struktur und Routine durch regelmäßiges Training

Für mich war es immer eine Herausforderung, eine stabile Struktur in meinem Alltag zu halten. Kickboxen half mir dabei, eine Routine zu entwickeln, die Stabilität und ein Gefühl der Kontrolle in mein Leben brachte. Das regelmäßige Training bot mir einen festen Rahmen, an dem ich mich orientieren konnte. Diese Struktur war besonders wichtig, um mein Zeitmanagement zu verbessern und eine Balance zwischen meinen Verpflichtungen und meiner Freizeit zu finden.

Der Umgang mit angestauten Emotionen

Als Jugendlicher trug ich viel aufgestauten Stress und Wut in mir, oft ohne zu wissen, wie ich diese Emotionen loswerden konnte. Kickboxen ermöglichte es mir, diese angestauten Emotionen auf gesunde Weise zu kanalisieren und loszuwerden. Jeder Schlag und jeder Tritt im Training war eine Form der Befreiung, eine Möglichkeit, negative Gefühle abzubauen, ohne sie gegen mich selbst oder andere zu richten. Dieser Prozess half mir, emotional ausgeglichener zu werden und meine Gefühle besser zu kontrollieren.

Mein Weg zu mehr Struktur im Alltag mit ADHS

Als Erwachsener mit ADHS bin ich nach wie vor von Hyperaktivität und Schwierigkeiten in der Organisation meiner Aufgaben betroffen. Die Symptome, die mich schon als Kind begleiteten, sind bis heute präsent. Ich habe nach wie vor Mühe, Aufgaben zu planen, zu organisieren und vor allem, sie auch zu Ende zu bringen. Stimmungsschwankungen und die Herausforderungen, stabile Beziehungen aufrechtzuerhalten, gehören ebenfalls zu meinem Alltag.

Der Weg zur Besserung

Mittlerweile habe ich begonnen, Medikamente zu nehmen, die mir helfen, meine Konzentration und Impulskontrolle zu verbessern. Diese Unterstützung ist für mich unverzichtbar geworden, da sie es mir ermöglicht, klarer zu denken und fokussierter an meinen Aufgaben zu arbeiten. Parallel dazu bin ich in einer Verhaltenstherapie, die mir hilft, über meine Probleme zu sprechen und Strategien für den Umgang mit den Herausforderungen des Alltags zu entwickeln.

Ein strukturierter Tagesablauf als Schlüssel zum Erfolg

Ein entscheidender Schritt auf meinem Weg zu einem besser organisierten Leben war die Entwicklung eines strukturierten Tagesablaufs. Ich habe erkannt, wie wichtig es ist, meinem Tag eine klare Struktur und feste Routinen zu geben. Dies hilft mir, den Tag besser zu organisieren und Ablenkungen zu minimieren.

Feste Zeiten für alltägliche Aufgaben wie Aufstehen, Arbeiten, Essen und Schlafen zu haben, gibt mir Stabilität und Sicherheit. Ein strukturierter Tagesplan hilft mir dabei, Prioritäten zu setzen und den Fokus auf die wirklich wichtigen Aufgaben zu lenken.

To-Dos und Reminder als unverzichtbare Helfer

Um sicherzustellen, dass ich nichts vergesse und meine Aufgaben tatsächlich erledigt werden, arbeite ich mit To-Do-Listen und Reminder-Apps. Diese Tools sind für mich absolut unverzichtbar geworden. Sie helfen mir, meine Aufgaben in kleine, überschaubare Portionen zu unterteilen, was es mir ermöglicht, Schritt für Schritt voranzukommen, ohne von der Größe einer Aufgabe überwältigt zu werden.

Fazit: Ein Weg zu innerer Balance und Stabilität

Das Leben mit ADHS ist ein kontinuierlicher Prozess, der oft herausfordernd ist. Doch durch Sport, strukturierte Tagesabläufe und die richtige Unterstützung habe ich Wege gefunden, meine innere Balance zu finden und die Herausforderungen des Alltags besser zu bewältigen. Sportarten wie Langstreckenlauf, Kunstturnen, Kickboxen sowie Praktiken wie Taekwondo und Kimoodo haben mir geholfen, sowohl körperlich als auch geistig stärker zu werden. Sie haben mir gezeigt, dass es möglich ist, auch mit ADHS ein erfülltes und ausgeglichenes Leben zu führen. Wenn du ähnliche Herausforderungen erlebst, könnte dir eine Kombination aus diesen Methoden ebenfalls helfen, mehr Balance und Kontrolle in dein Leben zu bringen.