Die Zeit ist ein Dieb

08.03.2025

Die Zeit Spielt gegen mich! ABER heute sehe ich das Anders! Lange Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Zeit gegen mich arbeitet. Sie war mein Gegner, ein unaufhaltsamer Strom, der mich mitriss, mir Hindernisse in den Weg stellte und mich manchmal fast zum Stillstand brachte. Besonders in den dunklen Phasen meines Lebens, wenn meine Unsicherheiten, Ängste und inneren Stimmen mich quälten, fühlte es sich so an, als würde die Zeit sich endlos ziehen – als wäre jeder Tag ein neuer Kampf gegen mich selbst. Doch heute ist das anders. Heute bin ich mit der Zeit im Gleichgewicht, und das verdanke ich den Menschen, die mich in meinem aktuellen beruflichen Umfeld begleiten und unterstützen.

Meine Kindheit: Ein endloser Kampf gegen das Unverständnis

Schon als Kind war ich anders. Ich war hibbelig, voller Energie, konnte kaum still sitzen und hatte eine unbändige Vorstellungskraft. Ich lebte in meiner eigenen Fantasiewelt, erfand Geschichten, liebte es, Dinge neu zu gestalten, sei es in Mode, Dekoration oder kreativen Projekten. Doch das Problem war: Mein Umfeld konnte damit nicht umgehen.

In der Schule stieß ich auf eine Mauer aus Unverständnis. Ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten, ließ mich leicht ablenken und konnte dem Unterricht nur schwer folgen. Lehrer waren oft überfordert mit mir. Ihre Lösung? Nachmittagsunterricht zur Disziplinierung, schlechte Noten und abschätzige Kommentare. Ich spürte den wachsenden Druck, den Anschluss an meine Mitschüler zu verlieren. Und sie merkten es auch. Sie hänselten mich, lachten mich aus, weil ich anders war.

Meine Reaktion? Wut, Bitterkeit, Aggression. Ich kämpfte, weil ich nicht verstand, warum ich anders war. Lehrer schlugen sogar vor, mich auf eine Sonderschule zu schicken. "So einen Behinderten brauchen wir nicht." Diese Worte brannten sich in mein Gedächtnis. Doch meine Eltern standen hinter mir. Sie ermutigten mich, einen anderen Weg zu gehen, auch wenn dieser schwer war.

Lehrzeit: Mobbing, Panikattacken und die Stimmen, die mich zerstörten

Meine Ausbildung im Einzelhandel war geprägt von harter Arbeit – und noch härteren Worten. Meine Lehrherrin konnte nicht mit mir umgehen. Wenn ich Dinge nicht sofort verstand, gab es keine Geduld, keine zweite Erklärung – nur Demütigung.

  • "Wie dumm bist du eigentlich?" 
  • "Das wirst du nie kapieren."

  • "Du bist einfach unfähig."

Diese Worte wiederholten sich immer und immer wieder. Sie wurden zu einem Teil meines Inneren, zu den Stimmen in meinem Kopf, die mich quälten. Ich wurde vor Kunden schlecht gemacht, mir wurde verboten zu verkaufen, stattdessen bekam ich Strafarbeiten. Aber ich ließ mich nicht unterkriegen. Ich wollte es beweisen – mir und ihnen. Also ging ich den verbotenen Weg und versuchte trotzdem, Verkaufsgespräche zu führen. Doch jedes Mal wurde ich erneut niedergemacht.

Panikattacken, Ohnmachtsanfälle, extreme Stimmungsschwankungen – all das begann, meinen Alltag zu bestimmen. Die Stimmen in meinem Kopf wurden lauter, wiederholten die Worte meiner Ausbilderin und Lehrer. Ich begann, an mir zu zweifeln. Ich konnte nicht mehr schlafen, aß kaum noch und wurde krank. Schließlich kam es so weit, dass ich operiert werden musste und eine Chemotherapie bekam.

Doch diese Zeit veränderte mich. Ich beschloss, mein eigenes Lernsystem zu entwickeln. Ich schnitt Kleidungsstücke auseinander, analysierte ihre Zusammensetzung, erstellte Karteikarten und lernte durch praktische Erfahrung. Ich ignorierte die Beleidigungen und konzentrierte mich nur noch darauf, besser zu werden. Am Ende schloss ich meine Ausbildung mit der höchsten Punktezahl und einer Auszeichnung ab. Ich hatte es allen gezeigt.

Der Höhenflug und der Absturz

Mein beruflicher Werdegang nahm rasant Fahrt auf. Während meines Zivildienstes begann ich als Merchandiser und Lehrlingsleiter, zog nach Wien und stieg schnell auf. Ich fand meine Stärken im Employer Branding, im Marketing, in der Personalführung. Ich hatte das Gefühl, nichts und niemand kann mich stoppen.

Doch genau das war mein Problem. Ich war überproduktiv, übernahm immer mehr Verantwortung, überschätzte mich selbst. Ich lebte entweder in einem unaufhaltsamen Hoch – oder in einem tiefen Loch. Ich wurde impulsiv, traf unüberlegte Entscheidungen, wechselte Jobs auf einen plötzlichen Impuls hin. Und dann kam die depressive Phase.

  • Die Stimmen kehrten zurück.

  • Die Ängste wurden stärker.

  • Selbstzweifel fraßen mich auf.

  • Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr abschalten.

Ich begann, immer reizbarer zu werden, verlor die Kontrolle über meine Emotionen. Meine Beziehungen litten, meine Freundschaften gingen in die Brüche. Schließlich folgte der Zusammenbruch: Burnout, Krankenstand, Therapie.

Mein beruflicher Neustart: Erste Schritte in eine inklusive Arbeitswelt

Seit einem Monat bin ich nun als Praktikant im Bereich Employer Branding und Personalentwicklung bei Wien Energie tätig. Und auch wenn ich erst am Anfang stehe, merke ich bereits, wie viel es ausmacht, in einem Umfeld zu arbeiten, das mich nicht für meine Behinderungen verurteilt, sondern mich unterstützt.

Ich hatte Angst, dass sich die Geschichte wiederholt. Dass ich wieder auf Menschen treffe, die mich nicht verstehen, die mich klein machen. Doch diesmal ist es anders.

Meine Kollegen und Kolleginnen sind offen und verständnisvoll.

Sie fragen mich, was ich brauche, um gut arbeiten zu können.

Sie geben mir den Raum, meine Stärken einzusetzen.

Sie lassen mich auf meine Weise arbeiten und helfen mir, wenn ich unsicher bin.

Ich bin noch dabei, meinen Platz in diesem Unternehmen zu finden, aber eines weiß ich jetzt schon: Zum ersten Mal in meinem Berufsleben kann ich sein, wer ich wirklich bin.

Ein Blick in die Zukunft: Vielfalt und Inklusion leben

Es gibt Momente im Leben, die Perspektiven erweitern und neue Chancen eröffnen. Manchmal sind es kleine Gesten, ein offenes Gespräch oder ein Projekt, das nachhaltig etwas verändert. Für mich bedeutet die Diversity Charta genau das – sie steht für eine inklusive Arbeitswelt, an deren Umsetzung und kontinuierlicher Weiterentwicklung ich aktiv mitwirke.

Ich habe gelernt, dass Vielfalt nicht nur ein Wort ist. Sie ist eine gelebte Realität – in unseren Teams, in unseren Entscheidungen, in der Art, wie wir miteinander arbeiten. Und sie ist ein Schlüssel für eine Zukunft, in der alle die gleichen Chancen haben.

Warum Vielfalt mehr ist als ein Versprechen

Unsere Arbeitswelt verändert sich stetig. Herausforderungen wie Fachkräftemangel, neue Arbeitsmodelle und eine sich wandelnde Gesellschaft machen es umso wichtiger, Vielfalt als Chance zu begreifen.

Mit der Diversity Charta setzt sich Wien Energie für eine inklusive und chancengerechte Unternehmenskultur ein. Vielfalt bringt Innovation, Kreativität und stärkt uns als Arbeitgeberin. Unser Ziel ist ein Arbeitsumfeld, in dem jede*r wertgeschätzt wird – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder individuellen Herausforderungen.

Die Zukunft gestalten: Unsere Maßnahmen bis 2027

Gemeinsam mit gemeinsam mit meinem Team arbeite ich an Maßnahmen, um Vielfalt nachhaltig zu verankern. Unser Fokus liegt auf Employer Branding – Vielfalt als zentraler Wert unserer Arbeitgebermarke. Wir wollen Diversität nicht nur intern fördern, sondern auch nach außen sichtbar machen.

Im Rahmen der Diversity Charta setzen wir auf folgende zentrale Handlungsfelder:Kommunikation, die verbindet
Wir fördern inklusive, gendergerechte Sprache in allen Bereichen. Bewusstsein für Vielfalt beginnt mit den richtigen Worten.

  • Weiterbildung & Vernetzung
    Trainings, Workshops und E-Learnings schaffen Raum für Austausch und erweitern das Verständnis für Diversität.
  • Employer Branding: Vielfalt als zentraler WertSocial-Media-Kampagnen, die verschiedene Karrierewege sichtbar machen
  • Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Hintergründen
  • Gezielte Recruiting-Strategien für mehr Vielfalt im Unternehmen
  • Individuelle Beratung & strukturelle Veränderungen


Wir schaffen Rahmenbedingungen, die individuelle Bedürfnisse berücksichtigen – von Job-Sharing und Teilzeitmodellen für Führungskräfte bis hin zu barrierefreien Arbeitsplätzen.

Drei große Ziele bis 2027

  • Attraktives Arbeitsumfeld für Menschen mit Behinderungen
    Wir fördern eine inklusive Arbeitswelt mit optimalen Rahmenbedingungen für alle Mitarbeitenden.
  • Gleichstellung von Geschlechtern & Geschlechtsidentitäten
    Wir setzen uns für eine faire und gleichberechtigte Unternehmenskultur ein, in der Geschlechtervielfalt selbstverständlich ist.
  • Kompetenzen für die Zukunft
    Wir schaffen neue berufliche Perspektiven und investieren gezielt in die Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden.

Durch diese Maßnahmen setzen wir Vielfalt in die Praxis um – für eine nachhaltige, inklusive Arbeitswelt.

Mehr als nur ein Projekt – eine echte Veränderung

Die Diversity Charta ist für mich mehr als ein strategisches Konzept. Sie ist eine Verpflichtung. Sie ist das, was ich mir selbst früher gewünscht hätte – eine Welt, in der jede*r einen Platz findet, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Fähigkeiten.

Ich bin dankbar, dass ich daran mitarbeiten kann. Dass ich nicht nur meine Geschichte erzählen, sondern aktiv dazu beitragen kann, die Arbeitswelt inklusiver, gerechter und zukunftsfähiger zu machen.

Denn der Weg ist noch lange nicht zu Ende – aber ich gehe ihn nicht mehr allein. Ich bin umgeben von Menschen, die mich sehen, die mich verstehen und die mir helfen, meinen Platz in dieser Welt zu finden.

Gemeinsam leben wir Vielfalt. Gemeinsam gestalten wir die Zukunft.

Fazit: Ich habe meinen Platz gefunden – und du kannst das auch

Die Zeit ist nicht mehr mein Feind. Ich renne nicht mehr gegen sie an – wir sind endlich im Gleichgewicht. Und das liegt nicht nur an mir, sondern auch an den Menschen, die mich umgeben.

Mein Weg war steinig. Ich wurde unterschätzt, beleidigt, gedemütigt. Doch heute stehe ich hier – stärker als je zuvor.

Und wenn du gerade das Gefühl hast, dass die Zeit gegen dich arbeitet, dann kann ich dir nur sagen: Halte durch. Finde die Menschen, die dich verstehen. Suche dir ein Umfeld, das dich unterstützt. Denn du bist wertvoll. Genau so, wie du bist.