Borderline: Verlustangst und Extremdenken bewältigen.

29.03.2025

Ein Name, der Schmerz bedeutet – ein anderer, der Hoffnung gibt. Erfahre, warum ich mich von Mark zu Camillio wandelte.

Manchmal fühlt es sich an, als würde mein ganzes Leben zwischen Extremen pendeln – zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Als würde ich ständig am Abgrund balancieren, ohne zu wissen, ob ich fliegen oder fallen werde. Diese Achterbahn der Gefühle ist das tägliche Leben mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS).

Ein Leben im Ausnahmezustand

In meiner Kindheit war ich das wilde, aufgedrehte Kind – voller Energie, impulsiv, laut und ständig auf der Suche nach neuen Reizen. Meine Eltern und Lehrer standen oft ratlos vor mir. Warum konnte ich nicht still sitzen? Warum musste ich ständig provozieren und Grenzen austesten? Die Antwort kannte damals niemand: Es war die Borderline-Störung, die sich schon früh in meinem Verhalten zeigte.

Damals waren es nicht nur die impulsiven Ausbrüche und die Wutausbrüche, die mich prägten. Es war die konstante Angst, nicht genug zu sein. Nicht geliebt zu werden. Nicht dazuzugehören. Diese Verlustängste schlichen sich in mein Leben, ohne dass ich es bemerkte. Ich wollte dazugehören, geliebt werden, aber sobald ich mich angenommen fühlte, kam die Angst – die Angst, dass ich wieder verlassen werde. Diese Angst hat mir so oft die Freude an Beziehungen genommen, weil ich immer auf der Hut war, immer auf das Verlassenwerden vorbereitet.

Die Achterbahn der Gefühle

Borderline bedeutet nicht nur impulsives Verhalten und Stimmungsschwankungen – es ist eine emotionale Intensität, die kaum zu ertragen ist. Schon in der Jugend führten kleinste Anlässe zu massiven Reaktionen. Ein falscher Blick, ein missverstandenes Wort, und plötzlich war ich überzeugt, dass die ganze Welt gegen mich ist. Mein Kopf drehte sich in Schleifen, meine Gedanken rasten und ich fühlte mich von der Wucht der Gefühle regelrecht überrollt.

Wenn ich dann jemanden in mein Leben ließ, klammerte ich mich verzweifelt fest. Die Angst vor dem Verlassenwerden war so überwältigend, dass ich oft das Gegenteil bewirkte – ich stieß die Menschen weg, bevor sie die Chance hatten, mich zu verlassen. Das ständige Schwarz-Weiß-Denken machte es unmöglich, Nuancen zu erkennen. Menschen waren entweder die besten Freunde oder die schlimmsten Feinde – dazwischen gab es nichts. Ich lebte in Extremen – liebte mit voller Hingabe und hasste mit derselben Intensität.

Wenn die Stimmen lauter werden

Als Erwachsener wurden die Symptome stärker. 2023 und 2024 waren die dunkelsten Jahre meines Lebens. In den schlimmsten Phasen waren da nicht nur die emotionalen Schwankungen – es waren Stimmen in meinem Kopf, die mich zermürbten. Sie sagten mir, dass ich wertlos bin, dass ich versagen werde, dass ich alles falsch mache. Diese Stimmen wurden so laut, dass ich sie nicht mehr ignorieren konnte. Sie trieben mich an den Rand der Verzweiflung, bis ich an einem Punkt war, an dem ich nicht mehr weiterleben wollte.

Die Suizidgedanken wurden zur Realität. Ich fühlte mich wie ein Gefangener meiner eigenen Gefühle – rastlos, unruhig und unfähig, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Die depressiven Episoden raubten mir die Kraft, die manischen Phasen waren wie ein Rausch, aus dem ich nicht mehr herausfand. Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit machten meinen Alltag zur Hölle. Ich konnte nicht mehr klar denken, meine Gedanken rasten unkontrolliert und es gab kein Entkommen.

Die Herausforderung im Berufsleben

Das Leben mit Borderline beschränkt sich nicht nur auf Beziehungen – auch im Berufsleben steht man ständig unter Druck. Die Angst vor Jobverlust begleitet mich täglich. Ich habe immer das Gefühl, mehr leisten zu müssen, um wertvoll zu sein. Dieser Drang, immer die Besten zu sein, führt zu Überarbeitung und Erschöpfung. Sobald ich einen Fehler mache, denke ich, dass ich alles ruiniert habe. Jobverlustängste nagen an meinem Selbstwert und lassen mich an meiner beruflichen Kompetenz zweifeln.

Die innere Zerrissenheit macht es schwer, im Arbeitsumfeld stabil zu bleiben. Kritik ertrage ich kaum – sie trifft mich wie ein Schlag und lässt meine Selbstzweifel explodieren. In manischen Phasen übernehme ich zu viele Aufgaben, traue mir alles zu und fühle mich unaufhaltsam. Doch in den depressiven Phasen lähmt mich der Gedanke, alles falsch gemacht zu haben. Das permanente Schwarz-Weiß-Denken macht es mir unmöglich, Kritik differenziert zu betrachten – alles wird entweder als Triumph oder als komplettes Versagen gesehen.

Tipps für den Alltag mit Borderline

Es gibt kein Patentrezept, um mit Borderline zu leben, aber einige Strategien haben mir geholfen:

  1. Achtsamkeitstraining: Hilft mir, die Gefühle wahrzunehmen, ohne direkt zu reagieren.

  2. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): Fördert die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren und Krisen zu bewältigen.

  3. Emotionstagebuch: Ein fester Bestandteil meines Alltags, um Gefühle zu reflektieren.

  4. Grenzen setzen: Bewusst entscheiden, wann ich mich aus schädlichen Situationen zurückziehe.

  5. Kommunikation: Offenes Reden über meine Ängste mit Menschen, denen ich vertraue.

  6. Selbstakzeptanz: Mich selbst annehmen, auch wenn die dunklen Phasen überwiegen.

  7. Therapie: Ein sicherer Raum, um über die Gedanken und Gefühle zu sprechen, die mich quälen.

Ein Neuanfang – mit neuem Namen

Der letzte Schritt für mich war die Erkenntnis, dass ich mit meinem alten Namen Mark die Vergangenheit nicht abschließen kann. Mark war der Name all der negativen Erinnerungen, der Mobbingerfahrungen und der Stimmen, die mich quälten. Camillio hingegen steht für eine neue Identität, für die Person, die ich werden will – stark, frei und selbstbestimmt.

Diese Entscheidung gibt mir die Kraft, nach vorne zu blicken und die Dämonen der Vergangenheit hinter mir zu lassen. Es ist nicht leicht, mit Borderline zu leben – aber es ist möglich, einen Weg zu finden, der mich nicht zerbricht. Mit der richtigen Unterstützung und den passenden Strategien kann ich lernen, die Höhen und Tiefen zu akzeptieren und einen Umgang mit ihnen zu finden.

Fazit

Leben mit Borderline ist ein ständiger Kampf zwischen Extremen – zwischen Nähe und Distanz, Euphorie und Verzweiflung. Doch ich habe gelernt, dass es möglich ist, sich dieser Herausforderung zu stellen und sich selbst neu zu definieren. Die Namensänderung ist mein persönlicher Schritt, mich von der Vergangenheit zu lösen und eine Zukunft zu gestalten, die mir Raum gibt, ich selbst zu sein.

Ich hoffe, mein Weg inspiriert andere, die ebenfalls mit Borderline kämpfen. Ihr seid nicht allein. Es ist okay, Hilfe zu suchen und den eigenen Weg zu finden – einen Weg, der euch frei macht.

Meta Beschreibung:

Borderline und die Suche nach Identität – ein Leben voller Extremer, Ängste und Hoffnung auf Neuanfang. Erfahrt, wie eine Namensänderung mein Leben verändert hat